Oh Corona…

Weshalb ist es hier so ruhig geworden? Wie sich die meisten bereits denken werden, ist der Grund dafür, dass ich nicht von meinen Erfahrungen in Secunderabad schreibe, dass ich nicht dort bin. Tatsächlich wurde ich am Flughafen auf dem Weg nach Indien abgefangen und zurückgeschickt. Mein Flug war der erste, der vom Einreiseverbot betroffen war. 10 Minuten zuvor hatte die indische Regierung einen Einreisestopp für alle Personen ohne indischen Pass erlassen. Das war natürlich sehr dramatisch und emotional für mich. Wenige Tage danach wurde die Einreise seitens der indischen Regierung zwar wieder für Leute mit Arbeitsvisum zugelassen und das Verbot auf Touristenvisa beschränkt, allerdings stoppte dann das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Deutschlands die Ausreisen von Freiwilligen bis mindestens Oktober diesen Jahres. Für mich ist das natürlich überaus schade. Ich habe mein Studium pausiert, meinen Job und meine Wohnung gekündigt, um diese Chance und einmalige Erfahrung mitzunehmen. All das fällt nun in’s Wasser. Andererseits hätte ich, wäre ich zum Beispiel eine Stunde früher ausgereist, in einer aufwendigen Rückholaktion wenige Tage später wieder zurück nach Deutschland fliegen müssen. Wer hätte Anfang des Jahres gedacht, dass sich die Situation mit SARS-CoV-2 so entwickelt?

Während ich nun in Deutschland Trübsal blase über meine verpasste Chance und mein langweiliges Leben in der Isolation, haben die NGOs in Indien ganz andere Probleme. Die von der indischen Regierung erlassenen Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus‘ einzudämpfen, werden mit drastischen Mitteln umgesetzt. Vor allem Wanderarbeiter*innen, Tagelöhner*innen und all die Menschen, die von Tag zu Tag leben, leiden besonders unter dem Lockdown. Aber auch Menschen, die in Dörfern leben, die aufgrund von Corona-Fällen vollständig abgeschottet wurden, oder Familien, deren Kinder normalerweise in der Schule täglich warme Mahlzeiten erhalten, kämpfen zur Zeit mit einem ernsten Versorgungsproblem. Ich kann mir nicht anmaßen darüber zu urteilen, inwiefern die von den jeweiligen Regierungen erlassenen Maßnahmen sinnvoll sind. Dafür habe ich zu wenig Kenntnis von Politik, Wirtschaft und Virologie. Eindeutig ist jedoch, dass Menschen überall auf der Welt zur Zeit nicht nur unter den direkten Auswirkungen der Krankheit, sondern auch unter den erlassenen Beschränkungen immens leiden. In Deutschland sorgen wir uns um unsere Wirtschaft und die kommende Inflation. Zahlreiche kleine Existenzen sind bedroht und viele Leute müssen ihren gewohnten Lebensstandard stark einschränken, da sie zur Zeit in Kurzarbeit sind oder gar ihre Jobs verloren haben. Die Schulschließungen verschärfen strukturelle Ungleichheiten zwischen den Schülerinnen*Schülern (ein Thema auf das mich kürzlich ein Interview der Jungen Islam Konferenz mit der Rassismusforscherin Aylin Karabulut aufmerksam gemacht hat). Ich möchte all diese Schwierigkeiten in keinerweise kleinreden. Nichtsdestotrotz sollten wir uns aber auch vor Augen führen, dass (wie immer) die Ärmsten der Armen am meisten unter der Situation leiden. Obwohl unsere Ängste und Sorgen durchaus berechtigt sind, sind wir in Deutschland nach wie vor, auch in dieser schwierigen Lage, in einer privilegierten Situation – zum Beispiel im Vergleich zu den übergangenen Menschen in Flüchtlingscamps (Eine gute Freundin von mir berichtet in einem in der Critica erschienenen Artikel von ihren Eindrücken vor Ort. Obwohl ich mich eindeutig von der Critica und dem SDS, die ich in vielerlei Hinsicht für sehr unseriös halte, distanzieren möchte, ist dieser spezielle Artikel nichtsdestoweniger lesenswert.), den Menschen in Westafrika und den Hungerleidenden in Indien.

Da ich im Oktober weiterstudieren werde, meine Ausbildung nicht weiter aufschieben sollte und danach leider zu alt für das weltwärts-Programm bin, steht fest, dass ich Chaithanya Mahila Mandali nicht mehr im Rahmen eines freiwilligen Jahres unterstützen können werde. Ich hoffe dennoch, dass ich vielleicht nächstes Jahr zumindest ein mehrwöchiges Praktikum dort absolvieren kann. Selbstverständlich ist das nicht dasselbe, aber ich habe mich viel mit Indien und der Entwicklungsarbeit vor Ort befasst, Besorgungen gemacht, Spenden eingesammelt etc., sodass ich das Projekt doch sehr gerne zumindest irgendwann einmal besuchen würde. Aus diesem Grund werde ich auch diesen Blog weiter bestehen lassen und sollte ich die Möglichkeit haben nach Secunderabad zu reisen, reaktivieren. Obwohl nun das geplante Projekt auf Eis gelegt ist, möchte ich diesen Blog in Anbetracht der Umstände noch für eine Botschaft nutzen: Auch wenn ich persönlich nicht nach Indien reise, ist die Unterstützung von Chaithanya Mahila Mandali und der DIZ heute vermutlich sogar wichtiger als zuvor!

Chaithanya Mahila Mandali hat eine Corona-Soforthilfe (wie auch die DIZ) eingerichtet. Sie verteilen sogenannte „Covid-19 Relief-Kits“ mit trockenen Grundnahrungsmitteln wie Reis und Linsen sowie warme Mahlzeiten an bedürftige Familien in der Umgebung – und das im mit ca. 3.100 Essensrartionen pro Tag im großen Stil. Darüberhinaus betreiben sie Aufklärungsarbeit zum Beispiel in Sachen Hygiene, um der Verbreitung des Virus‘ entgegenzuwirken. Dabei kooperieren sie (wie immer) mit der Polizei und weiteren lokalen Behörden.

Um die Arbeit von CMM zu unterstützen, könnt ihr an folgendes Konto spenden:

Evangelische Bank eG
IBAN: DE84 5206 0410 0004 0041 08
Stichwort: Corona-Soforthilfe CMM

Auch die Bewohner*innen des Heims Chaithanya Happy Home müssen sich an neue Hygieneregeln gewöhnen.
Bildquelle: offizieller Instagram-Account von Chaithanya Mahila Mandali

Ich bedanke mich bei allen deren Interesse und Engagement über die eigenen vier Wände hinausreicht (ob durch die Unterstützung von CMM oder auf andere Weise) und hoffe sehr, dass dieses Fiasko sich baldmöglichst zum Guten wenden wird. Ich bin in Gedanken bei all jenen, die auf die ein oder andere Weise unter der Pandemie und den ergriffenen Restriktionen leiden.

Veröffentlicht von Dilara

Ich bin 24 Jahre alt und stamme gebürtig aus Boppard am Rhein. In Erlangen und Trier habe ich Philosophie und Pädagogik studiert. Dieser Blog diente dazu von meinem Freiwilligendienst in Indien zu berichten - der jedoch leider aufgrund von Covid19 verschoben wurde. (I am 24 years old and from Boppard, Germany. I studied Philosophy and Pedagogy in cities of Erlangen and Trier. In this blog I want to write about my experiences during a voluntary service in India.)

Ein Kommentar zu “Oh Corona…

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